Aggenstein
Der Aggenstein (1986 m) ist aus vielen Blickrichtungen ein dreigipfeliger Berg und hat deswegen eine besondere Bedeutung. Auch die christliche "Dreifaltigkeit" ist eine Form von "Dreieinigkeit" und übernimmt wesentlich ältere Kulturvorstellungen. Diese finden sich etwa bei den drei Nornen, den drei Bethen, den drei Matronen oder den drei Schicksalsgöttinnen.
Der Aggenstein ist ein Grenzberg und liegt zwischen dem Pfrontener Tal und dem Tannheimer Tal. Erstmals wird er im Jahr 1456 genannt ("in dem Mackhenstein"). Das norwegische Dialektwort "agge" bedeutet "Zahn, Zacken, Spitze". Möglich ist aber auch, dass sich der Name Aggenstein von dem Wort "Markenstein" herleitet und auf alte Grenzmarkierungen hindeutet.
Drei Fräulein
In der Sage der "drei Fräulein im See", die jeweils vom Haldensee, vom Alatsee und vom Weißensee erzählt wird, ist es so, dass das Schloss der drei Schwestern an den Hängen des Aggensteins liegt.
Venediger am Aggenstein
Einen Hinweis auf eine alte Besiedelung könnte man in der Sage von den Venedigern am Aggenstein sehen, deren Einflussgebiet sich offenbar über den Aggenstein und den Breitenberg erstreckt und die Gericht über einen Kindsmörder halten, der den Mord der Mutter des Kindes angehängt hat.
"Hoch oben am Aggenstein, ein Stücklein unter der Nordwand, haben die Venediger ein wahres Märchenschloss. Der größte Teil ist zwar unterirdisch, aber ein Stück ragt doch über den Boden heraus. Alle sieben Jahre kann es ein Mensch sehen, und, wenn er Glück hat, sogar den Venedigerkönig dazu. Aber wenn dieser Mensch nicht ganze sieben Jahre darüber schweigen kann, muss er unfehlbar tot umfallen, sobald er auch nur ein Wörtlein darüber verlauten lässt. Das Schloss ist so herrlich, dass man es gar nicht beschreiben kann. Der König trägt keine Krone, sondern einen goldenen Kapuzenmantel; sein langer Bart ist ganz von Gold- und Silberfäden, und er wickelt ihn mehrmals um den Leib. Im Gebiet des Aggenstein und bis über den Breitenberg duldet aber der Venedigerkönig keinen Übeltäter, der seine Schuld noch nicht gesühnt hat.
Einmal hatte ein Pfrontener bei einem Kindsmord mitgetan und, um selber loszukommen, alles auf die Mutter des Kindes geschoben. Nun wollte er auf dem kürzesten Weg in Tannheimertal hinüber. Da aber hielten ihn in der Mulde zwischen dem Breitenberg und dem Aggenstein ganz plötzlich Kapuzenmännlein fest. Der Mann wollte sie abschütteln, aber das ging nicht. Er schlug nach ihnen, aber er traf sich selber. Die zwei Männle legten ihm eine Binde um die Augen und, er mochte wollen oder nicht, er musste mit ihnen gehen.
Als sie ihm die Binde abnahmen, sah er sich in einem Gerichtssaal vor dem Venedigerkönig und seinen Schöffen. Alle hatten die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Vor dem Burschen aber stand ein Tisch, auf dem ein Spiegel lag; auf diesen Spiegel deutete der Richter. Schnon beim ersten Blick merkte der Gefangene, um was es hier ging; aus dem silbrigen Glas schaute ein totes Kindlein. Der Mörder schlug die Augen nieder, aber eine Stimme rief: "Schau weiter, was du verschuldet hast!" So musste er im Spiegel ein Ereignis sehen, dem er vor Jahresfrist feige ausgewichen war; Die Henker führten eind todbleiches Weib zum Richtblock. Der unselige Mensch erkannte es sogleich und vermochte kein Wort mehr hervor zu bringen. Er zitterte am ganzen Leib und hatte nicht mehr die Kraft, um Gnade zu flehen. Er wusste mit einem Male, was er verdient hatte, und sank tot zu Boden.
Die Männlein aber lassen keinen Unreinen in ihrem Berg. Sie haben den Leichnam des Gerichteten zu Tal getragen und hinter die Kirchhofmauer gelegt. Erst sieben Jahre später erzählte der Mesner die Geschichte. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie die Venediger mit dem Toten den Berg herabgekommen waren.
Weitnauer
Venediger
Venediger werden als kleine wilde Menschen beschrieben. Vermutlich sind sie eine Restbevölkerung, die von Süden kommend, sich in den Alpen angesiedelt hat und im Schutz der Berge lange sicher vor Eroberungen und fremden Kultureinflüssen war. Der Name "Venediger" könnte auch auf die matriachalen Grundwerte und ein Bekenntnis zur Venus als Göttin und Stamm-Mutter hinweisen.
Spiegel
Der Spiegel ist ein magisches Instrument, das einen Zugang zu einer anderen Wirklichkeit, hier einem Blick in die Vergangenheit und einen Zugang zur Erkenntnis von Schuld, ermöglicht.