Stier bei Höfen
Spät zur Herbstzeit traf einmal ein Wildschütze auf dem Joch zwischen der Geren- und Gachtspitze und oberhalb von Höfen ganz einsam und allein einen Stier grasen, und da er sonst nirgend eine Viehherde sah oder hörte, dachte er sich: "Holla! der hat sich auch verspätet oder ist vergessen worden" und ging seines Weges fort, ohne sich weiter um den Stier zu kümmern. Als es Abend geworden war und es schon stark dämmerte, begab er sich in die nahe Hütte, um zu übernachten. Man war aber aus der Alpe längst abgezogen, und darum richtete er sich selbst das Lager zurecht und legte sich dann schlafen. Es dauerte gar nicht lange, so ging die Türe auf und es kam der Stier herein, den er hatte grasen sehen und der sich sonderbarer Weise in die Feuergrube legte. Da sah der Wildschütze, dass es da nicht mit rechten Dingen zugehe, dachte sich aber: Wart nur, Stier, ich hab ja eine geweihte Kugel im Gewehr und wills doch mal probieren, ob ich dich nicht weiter bringe, und schoss richtig nach dem Tier. Da krachte der Schuss so entsetzlich und es dröhnte und donnerte so arg, als wollten alle Berge einfallen. Der Stier aber war nun aus der Feuergrube verschwunden.
Reiser
Vermutlich ist der ursprüngliche Kern der Sage stark verändert, in der es wahrscheinlich um die Begegnung der Göttin Holla mit dem Grünen Mann (= Jäger = ein Fruchtbarkeitsbringer) ging. Denkbar ist, dass dabei ein Stieropfer nach dem Almabtrieb stattgefunden hat.