Bruder Ulrich von Musau

In Musau lebte einst der fromme Bruder Ulrich, der im Ruf der Heiligkeit stand. Als er im Sterben lag, kam ihm die Lust an, Erdbeeren zu essen. Die Umstehenden erachteten dies als unerfüllbaren Wunsch, weil Winter war und Schnee und Eis die Landschaft bedeckten. Der Bruder rügte diese Kleingläubigkeit und befahl ihnen, sie sollten auf den nächstgelegenen Berg steigen, denn dort würden sie Erdbeeren genug finden. Sie glaubten seinen Worten und suchten die bestimmte Stelle auf. Dort fanden sie mitten im Schnee viele und schöne Erdbeeren. Der Hügel, auf dem dieses Wunder geschehen ist, heißt heute noch Erdbeerbichl.

Die Krankheit verschlimmerte sich von Tag zu Tag und Ulrich verspürte, dass der Tod nahte. Er bat die Frau, bei der er wohnte, sie möchte seinen Leichnam auf einen Wagen legen, zwei junge, noch nie eingespannte Stiere daran spannen und dort, wo diese ihn hinzögen, begraben.

Nach dem Tode legte man den Leichnam auf einen Wagen und spannte zuerst zwei Ochsen davor, die schon öfters gezogen hatten. Diese konnten aber das Fuhrwerk nicht von der Stelle bringen. Nun spannte man zwei unabgerichtete Stiere an den Wagen. Diese zogen zur Verwunderung den Bruder Ulrich durch den Lech nach Pinswang zu einem Hügel. Hier blieben die Tiere wie angewurzelt stehen und waren nicht mehr von der Stelle zu bringen. Man begann ein Grab zu schaufeln. Da stieß man auf eine Steinplatte, unter der sich ein leeres Grab in Manneslänge befand. Darin wurde der Leichnam Ulrichs bestattet. Über der Stelle wurde die Kirche von Pinswang erbaut.


Da der Bruder Ulrich ein Rom-Pilger gewesen sein soll. Ist eventuell der Bergname Pilgerschrofen auf den Bruder Ulrich bezogen. Ulrich lebte der Überlieferung nach in Musau, Ortsteil Saba. In einem Privathaus in Musau wird immer noch der Wanderstab und die Feldflasche aufbewahrt, die dem Bruder Ulrich gehört haben sollen. Der Berenbichl, auf dem man mitten im Winter Erdbeeren gefunden hat, befindet sich ebenfalls im Ortsteil Saba, direkt am Lech, an der Einmündung des Sabaches in das Lechbett.

Die Erdbeere war Attribut von fast allen vorchristlichen Liebesgöttinnen, vor allem Frigg und Venus. Auch ihre dreiteiligen Blätter weisen als Symbol auf die drei Aspekte der Muttergöttin hin. Im Volksglauben waren die Erdbeeren von jeher Symbol der Verlockung zur Lust (auf Welt), Ausdruck von Sinnlichkeit und dadurch auch Verlockung zur Sünde. Die kleine harte grüne Frucht, die durch Reifen süß, weich und feuerrot wird, wurde als Bild der Geschlechtsreife und Liebesbereitschaft angesehen. Erdbeeren, die ihre Reifezeit im Frühjahr und frühen Sommer haben, symbolisieren als besonders sinnliche Frucht, auch aufgrund der Assoziationen zur weiblichen Brustwarze, die Lust auf Leben, Liebesbereitschaft und Erotik /Sexualität. Die „Erdbeeren im Winter“ können damit auf einen Liebeskult hinweisen, der im Winter, wahrscheinlich um die Zeit der Wintersonnwende begangen wurde. Da die Erdbeerpflanzen zur gleichen Zeit blühen und fruchten (weiße Blüten als Farbe der Unschuld, rote Früchte als Farbe der Liebe) galt sie im Mittelalter als Symbol jungfräulicher Mutterschaft. Eine Entsprechung hat dies zu Maria und der Geburt von Jesus in der Weihnachtsgeschichte. Wir haben es bei der Geschichte vom Bruder Ulrich wahrscheinlich mit den Resten eines alten Vegetationskultes zu tun.

Ulrichslegende
Ulrichslegende

Die Legende des Bruder Ulrich nimmt Motive der Hl. Notburga auf, deren Attribut eine Sichel (Mondsichel?) ist.

Leichnam des Bruder Ulrichs
Ulrich wird durch den Lech gezogen
Grablege des Bruder Ulrichs
Grablege des Bruder Ulrichs
Pinswang Ulrichskirche
Pinswang Ulrichskirche