Wildes Fräulein Vils

Beim Hofanzer in Vils hat man ein uraltes, großes Spinnrad, das man seit langem nur mehr zum Fadenzwirnen verwendet und das man das "Maringga-Rad" heißt. Wie es aber zu diesem Namen gekommen, darüber erzählten die Alten folgendes: In dem hause stand vor gar langer Zeit eine Magd von ganz fremdartiger Herkunft im Dienste. Sie war fleißig und rechtschaffen und saß während des Winters fleißig und eifrig an dem erwähnten Spinnrade, hatte aber sonst mancherlei Eigenheiten, und niemand kannte eigentlich ihren rechtmäßigen Namen. Eines Abends kam nun der Bauer von Reutte her, und wie er am Galgenmösle vorbei ging, hörte er von der Felswand herab eine Stimme rufen: "Sag doch der Maringga, der Maringger sei g'stprbem!" Obwohl nur der Mann weit und breit niemand mit dem Namen Maringga kannte, so ging ihm das doch im Kopfe um, und als er zu Hause war, erzählte er davon, dass ihm jemand am Galgenmösle zugeschrien habe, er solle der Marigga Bericht tun, der Maringger sei g'storben. Da stand sogleich die Magd vom Spinnrad auf undverließ das Haus, und niemand wußte, wohin sie gegangen. Das aber konnte nun entnehmen, dass sie die Maringga gewesen, und von da an hieß man das Rad, an dem sie so viel und fleißig gesponnen hatte, nur mehr das Maringga-Rad.

Reiser

Die Sage ist im ganzen Alpenraum in verschiedenen Variationen bekannt. Das "Spinnen" ist eine symbolische Tätigkeit, die in Zusammenhang mit der Spinnen des Lebensfadens gesehen wird. Das Galgenmösle ist ein Berührungspunkt zur "Anderswelt". In der Geschichte ist eine Namensmagie enthalten. Wer beim richtigen Namen gerufen wird, muss diesem Ruf folgen.