Säuling und Magnuslegende
Aus der Vita des Hl. Magnus:
"Als er eines Tages nämlich Berge und Hügel durchstreifte und sehr viele Orte, geeignet zu verbleiben, erforschte, stieg er auf einen hohen Berg, namens Säuling, und fand dort zahlreiche Bären großer Wildheit, aber nach dem Gebet begannen sie vor ihm so mild zu werden, dass man glaubte, es seien Rinder. Nachdem er das gesehen hatte, warf sich der heilige Mann zur Erde nieder in Kreuzesform und bat den Herrn, sich zu würdigen, dem Volk jenes Landes, das an großer Armut litt, etwas Hilfe zu gewähren beim Erwerb von Nahrungsmitteln. Unterdessen näherte sich ihm ein Bär mit großer Sanftmut und begann mit der Tatze auf eine gewisse Tanne zu zeigen.....Auf seinen Befehl hin beeilte sich die Bestie alsbald und begann die Wurzeln des Baumes mit Pfoten und Zähnen zu zerbrechen, bis der Baum selbst völlig mit der Wurzel zusammenbrach. Nachdem er gestürzt war, wurden verschiedene Eisenadern gefunden. Als dies der gütigste Diener Gottes sah, sagte er Gott Dank. Dann nahm er Brot von seiner Tasche und gab es ganz der Bestie, die ihm diente...."
nachfolgendes Bild mit freundlicher Genehmigung der Stadt Füssen aus "Magnus, Drache, Bär und Pilgerstab"
Die vielen wilden Bären, denen Magnus begegnet, könnte ein Hinweis auf eine alte, zurückgedrängte Restbevölkerung geben, die es in den Wäldern rund um den Säuling im 8. Jahrhundert noch gegeben haben könnte. Richard Lipp (900 Jahre Pinswang) Sieht den Bären als "Sinnbild des Menschen mit dem guten Kern, den es zu entwickeln und für sinnvolle Aufgaben einzusetzen gilt". Lipp (a.a.O.) geht davon aus, dass die Eisenerzgewinnung am Säuling bedeutend älter ist und es sich um ein prähistorisches Erzbergbaugebiet handelt. In jedem Fall ist es die bei weitem älteste Erwähnung von Erzvorkommen im weiten Umkreis.
In den amtlichen bayerischen und österreichischen Karten findet man südlich des Gipfels im Tal des bei Pflach mündenden Lettenbachs in rund 1200 Meter Höhe das alte Eisenbergwerk eingetragen. Vererzt ist aber auch die Fortsetzung des Säulings nach Osten. Weiter gibt es auf dem Gemeindegebiet von Pinswang zwischen dem Kitzberg und dem Schwangauer Gitter einen alten Erzabbau auf Markasit oder Pyrit, die Ortsbezeichnung dieser Hangmulde ist "Arzgruben".
Die Menschen der Vorzeit waren nicht darauf bedacht einseitig nur ohne Ende zu nehmen und den höchstmöglichen "Profit" aus einem Erzfund oder einem anderen Bodenschatz heraus zu schlagen. Vielmehr sahen sie das, was die Erde ihnen gab, als ein Geschenk der Natur, hier wohl des Säulings an. Da sie keine Plünderer waren wie die Menschen der Neuzeit, hatten sie entsprechend auch das Bedürfnis zu geben und ihre Dankbarkeit dem Berg zu erweisen. Dadurch wurde die Mutter Natur und sie selbst im Gleichgewicht gehalten. Dies könnte eine Ursache dafür sein, warum der Säuling der erste Berg in weitem Umkreis ist, der namentlich genannt ist und warum der Säuling so stark Mythen und Sagen auf sich gezogen hat. Möglicherweise ist er als Heiligtum wegen seines inneren Reichtums bereits seit der Vorzeit verehrt worden. In der spirituellen Wahrnehmung und Erfassung der Wirklichkeit waren uns die Menschen früher sicherlich überlegen.
Genauso war eine Öffnung der Erde, sei es jetzt in Form eines Höhle oder in Form eines Erzstollens eine Kontaktaufnahme mit einer Anderswelt, mit dem Innenraum des Bergwesens.
Da wir in eine kalte, rational entlebte Welt hineingeboren wurden (und auch in diese Richtung weiter erzogen werden), können wir uns nur schwer die starken Gefühle vorstellen, die mit dem Eintritt in das Erdinnere verbunden waren, vielleicht waren es Gefühle von sterben (beim Eintritt) und von geboren werden (beim Verlassen) des Bergs. Es hat sicher dazu geführt, dass dieser Vorgang von mächtigen Ritualen begleitet war. Vielleicht sind die Tänze der Frauen auf dem Hexenbödele das, was an Überlieferung von großen Festen für den heiligen Berg Säuling übrig geblieben ist.
Vielleicht steckt doch in dem Namen Säuling (älteste Bezeichnung Siulinch) mehr als nur das althochdeutsche Wort sul, siule (Säule)? Die Vorstellung, den Säuling als Säule und Träger des Himmels zu sehen kann man gut nachvollziehen. Dennoch könnte sich in dem Namen auch ein altes Zauberwort für Verwandlung und Öffnung verbergen.
"Sim S A La bi M" sagt man, wenn sich etwas verwandeln soll.
"S E S A M öffne dich!" muss Aladin rufen, damit der Berg sich öffnet und der Weg zur Schatzkammer frei wird. Wir finden in diesen Wörtern die gleiche Folge von Konsonanten und Vokalen.
Vielleicht wurde dieses Zauberwort gerufen, damit das Innere des Berges (Säuling) betreten werden konnte und dann hat dieses magische Öffmungs- und Verwandlungswort schließlich dem Berg insgesamt seinen Namen gegeben?
Beispielsweise finden wir am Selun auch eine Höhle, das Wildemannlisloch, in der ein Bärenkult (!) bis in die Altsteinzeit von Dr. Emil Bächler nachgewiesen wurde. Er fand dort u.a. ein Stück aus dem Oberschenkel eines Bären, das durch Bearbeitung die Form einer Göttin bekommen hatte. Er nannte es "Gözli". Der besondere Aufbewahrungsort (ein Felsabsatz in der Höhle) spricht dafür, dass dieses "Gözli" kultisch verehrt worden ist.
Am Säuling wurde noch nichts derartiges entdeckt. Allerdings ist auch bislang noch kein Ort der für einen derartigen Fund in Frage käme, genauer untersucht worden: weder die Schlackenhalde im Alpseekessel, noch oberhalb der Felsen, der den merkwürdigen Namen "Israelit" trägt, noch der Lobatboden mit der Marienbuche, noch die alten Bergwerksstollen an den Hängen des Säulings.