Die Salige in der Schmiede

 

Die Sage von der Schmiede, Nesselwängle

 

Erzählt vom Sepp Tauscher, er hat sie von seiner Mutter.

 

Das Haus vom Maringele Franz und der Flora stand einst auf der anderen Seite der Nesselwängler Arche, die im Zeie Mösle entspringt. Das ist die Wasserscheide im Tannheimer Tal. Die Arch fließt nach Osten, die anderen Bäche nach Westen in die Vils. Dort gibt es drei Hügel und drei Quellen.

 Das Haus war früher, als noch die Salztransporte durch das Tal geführt wurden eine Schmiede und es gab wahrlich viel zu tun.

In jenem Haus ging einiges nicht mit rechten Dingen zu. Die Menschen waren immer wieder krank und hatten schlechtes Gemüt. Mägde und Knechte blieben nie lange. Die Kühe waren, trotz genug Futter mager und gaben schlechte Mich, die sich nicht buttern lies. Schweine starben aus unerklärlichen Gründen und im Garten wuchs kaum etwas.

Eines Tages fragte eine fremde Magd um Arbeit. Sie wurde natürlich sofort genommen, weil die Arbeit von der kränklichen Bäuerin nicht bewältigt werden konnte. Mit der neuen Magd war vieles besser, sie arbeitete ruhig und besonnen und war immer gut gelaunt. Alle waren zufrieden mit ihr, besonders das Vieh im Stall schien sie zu mögen, denn es erholte sich langsam.

 

Eines Tages grub die Magd im Garten Rüben aus, da fand sie eine grüne Glasscherbe. Sie betrachtet die Scherbe genau und drehte sie zur Sonne, da erschien ein Frauengesicht das zu ihr sprach.Sag deinen Leuten sie müssen das Haus hier abtragen und auf der anderen Seite des Baches wieder aufbauen, dann wird Gesundheit und Wohlstand einziehen. Auf dieser Seite werden sie keine Ruhe finden.“ Daraufhin verblasste das Bild.

 

Die Magd erzählte alles getreulich Bauer und Bäuerin, worauf die beiden beschlossen, erstmal einen Pfarrer aus Füssen zu holen, damit er die ganze Sache prüfe und auch das Haus ausräuchere. Gesagt getan, der Pfarrer wurde geholt und er räucherte und segnete das Haus. Als man ihm die Glasscherbe reichte erblickte auch er das Frauenantlitz und sie sprach zu ihm die selben Worte wie zu der Magd. Der Pfarrer meinte, das ist eine arme Seele die keine Ruhe findet, erst wenn das Haus auf der anderen Seite steht wird sie erlöst sein. Daraufhin wurde das Haus abgetragen und auf der anderen Seit, wo es heute noch steht, wieder aufgebaut. Seither gab es keinen Grund mehr zu klagen.

Warum die Seele Erlösung brauchte ist leider nicht mehr erzählt worden. Die Mutter von Sepp Tauscher wusste jedoch noch, dass man aus der hinteren von den drei Quellen Wasser schöpfen soll, weil es zur Heilung dient, wenn es jemand nicht gut geht.

 

Es handelt sich um eine wunderschöne Sage, die noch viele Ansätze zur Deutung hat.

 

das Haus vom Marigele Franz und Flora: Maringele ist ein Name der Saligen, so wie Rezabell, Stutzemutz, Rinkepinke, siehe auch Wildes Fräulein, Pfronten.  Dass eine Name der Saligen heute noch als Familienname existiert ist außergewöhnlich. Im konkreten Fall stammt der Name von "Marinca", dem Namen der Mutter der jetzigen Hauseigentümerin. Der Hausname ist "Beim Seffler", was sich auf das Bauen von Wasserfässern zum Schöpfen aus der heilenden Quelle beziehen könnte.

 

das ist die Wasserscheide: Wasserscheiden waren natürliche Grenzen, später dann oft Staatsgrenzen und natürliche Grenzbereiche zur Anderswelt, sie waren heilig. Etwa der Ötzi liegt auf der europäischen Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer auf dem Alpenhauptkamm am Tisenjoch.

 

das Haus war früher eine Schmiede: Schmieden sind so wie Mühlen Verwandlungsorte (Eisen zu Werkzeugen, Getreide zu Mehl). Der Ortsteil in Nesselwängle heißt auch "Schmitte", so dass davon auszugehen ist, dass hier tatsächlich eine Schmiede stand. Mythologisch gesehen sind Schmieden ein Eingang zur Unterwelt (auch zur Hölle wegen dem Bezug zum Feuer)

 

in dem Haus ging einiges nicht mit rechten Dingen zu: das was beschrieben wir, erinnert an das Schepperle von Hegratsried (bei Buching)

 

eines Tages fragte eine fremde Magd um Arbeit: jetzt erscheint eine Salige in Person, siehe das Märchen von der Haselhexe. Den Kühen geht es wieder gut, sie geben Milch, die Erde wird fruchtbar.

 

eines Tages grub die Magd im Garten Rüben aus: Arbeit in der Natur, es ist wie bei den "Wilden Leut von Nesselwängle" (da wird gejätet) die Vorbereitung zur Kontaktaufnahme mit der Anderswelt. Auch bei der Geschichte vom "Rübezahl" geht es um das Hüten der Anderswelt.
 grüne Glasscherbe-Sonne-Frauengesicht: das ist das magische Glas, wie ein Zauberspiegel (Spieglein, Spieglein an der Wand...) oder der Spiegel der die Wahrheit zeigt in der Sage "Venediger am Aggenstein. In den Dolomiten existiert dieses Motiv als Karfunkelstein, bzw. strahlender Stein (Rayeta)

 

Haus auf der anderen Seite des Baches wieder aufbauen: bei Kirchen gibt es hier ganz viele Sagen, dass die Kirchen an der falschen Stelle stehen und dann etwa Vögel kommen und das Baumaterial zur richtigen Stelle tragen. (z.B. Lengenwang)

 

Es geht darum, dass die Saligen wieder zu ihrem heiligen Ort kommen können. Der Ort ist wahrscheinlich ein vorchristlicher Kultplatz an einer Heilquelle. Er liegt auf der "anderen Seite", nicht mehr im Menschenreich, sondern dem Naturreich der Wilden Leut/Salige angehörig.

--