bestes Gebet Heiterwang
Das beste Gebet
In Heiterwang lebte einmal ein armer, elternloser Bub, der sommers als Geißhirt und winters als Holzknecht seinen Lebensunterhalt bestritt. Er war sehr fromm und gottesfürchtig aufgezogen worden. Er betete vor jeder Kapelle oder vor jedem Feldkreuz das Vaterunser. Dabei nahm er stets seinen mit Blumen geschmückten Hut vom Kopf und legte die Blumen dort hinein. Dann betete er in den Hut hinein sein Vaterunser. Während des Betens aber wurde sein Hut immer voller von Blumen! War der Hut voll, schloß er sein Gebet mit den Worten: "... und für das ganze himmlische Geschwader!", wobei er die Blumen vor dem Feldkreuz, der Kapelle oder wo immer er gerade gebetet hatte, aus dem Hut leerte. Der Bub sah dann immer, wie die Armen Seelen, wie er sagte, um seine Blumen sich fast rauften.
Eines Tages erzählte dem Hirten ein frommer Mann aus der Gegend, er wisse ein noch fürnehmeres Gebet für die Armen Seelen. Der Geißhirt erlernte dieses Gebet und betete weiterhin in den Hut hinein. Jedoch der Hut wurde nicht mehr voll, er mochte das neue Gebet versuchen, so oft er wollte. Er suchte daher den frommen Mann auf. Der Mann wunderte sich und gab ihm den Rat, er möge wieder das alte Vaterunser beten. Als er das tat, füllte sich wieder der Hut mit Blumen wie früher. Seitdem erkannten die Leute, dass das Vaterunser doch das beste Gebet sei.
(Alpenburg, Reiser)
Der Hut ist ein Symbol für Herrschaft. Hut im übertragenen Sinne ist auch die Krone eines Königs oder die Mitra eines Bischofs. Das Sprichwort "das passt unter keinen Hut" meint, dass es keine fassbare Zugehörigkeit gibt. In der Sage füllt sich der Hut jeweils beim Gebet mit Blumen. Damit wird ausgedrückt, dass es eine Zugehörigkeit des Hirten zu der Natur und allen Wesen der Natur gibt. In dem der Hirte das Vaterunser betet, spricht er auch eine Sprache im Einklang mit den Verstorbenen. Als er ein fremdes Gebet aufsagt, das eigentlich nicht aus seinem Herzen kommt, verliert er den Kontakt zur Natur und auch zu den Seelenwesen. Es gelingt ihm jedoch, durch die Rückkehr zu dem alten Brauch in die Harmonie mit der Natur zurück zu kommen.